Kampfsport-FAQ - Teil I


Wie oft muß man eine Technik wiederholen, bis sie sitzt?

Genau vorhersagen läßt sich das sicher nicht, aber es gibt eine russische Untersuchung, welche bei jugendlichen Ringern (12-15 Jahre) überprüft hat, wie schnell die Anfänger lernen.
Das Ergebnis:

“Nach 375-450 Wiederholungen des Achselwurfes haben die Jugendlichen dessen richtige Bewegungsstruktur erlernt. Um diesen Wurf auch unter Wettkampfbedingungen auszuführen, sind 1600-1800 Wiederholungen mit paralleler taktischer Vorbereitung notwendig.”

Quelle:
W.P. Serdjuk / O.P. Juschkow ‘Zur Anfängerausbildung in der Technik des Freistilringens’, veröffentlicht in ‘Sportivnaja borba’, Moskau 1976; Fiskultura i sport, Übersetzt von P. Tschiene.


Wie schnell ist ein Fauststoß?

Eine polnische Untersuchung von 30 Boxern ergab, daß das Aufwärmen auf die Schlaggeschwindigkeit kaum Einfluß hatte. Bei den Versuchen hielten die Boxer die Fäuste am Kinn. Auf ein Lichtsignal hin sollten sie eine Maisbirne schlagen, die in der Entfernung des ausgestreckten Armes hing. Unter anderem wurde die Zeit gemessen, die zwischen dem Aufleuchten des Signals und dem Einschlag in der Maisbirne verging.

Die Tabelle zeigt die Ergebnisse: ‘Links’ bedeutet, daß auf das Signal hin  stets mit der linken Hand geschlagen werden sollte, ‘Rechts’ daß stets mit rechts geschlagen werden sollte und ‘Alternativen’, daß die Signallampe vorgibt, ob mit links oder rechts geschlagen werden sollte. Bei den ‘Alternativen’ kommt zur Reaktionszeit noch die Zeit bis zur Entscheidung für die richtige Schlaghand hinzu.

Schlagschnelligkeit Links Rechts Alternativen
vor dem Aufwärmen 0,421 s 0,437 s 0,487 s
nach dem Aufwärmen 0,412 s 0,413 s 0,456 s

Daß sich die Reaktionszeit durch Entscheidungen verlängert, wurde auch in verkehrspsychologischen Untersuchungen bestätigt. Dort stellte man fest, daß eine weitere Erhöhung der Reaktionszeit durch sinnwidrige Reize verlängert wird (z.B. ‘Rechts blinken -> links abbiegen’).

Quelle:
M. Mizerski, ‘Zum Einfluß des Aufwärmens auf die Schnelligkeit des Boxers’, veröffentlicht in ‘Sport Wyczynowy’ 1975, Nr. 10, übersetzt von R. Lempart.


Anpassung: Passen sich die Knochen im Training an?

Diese Frage läßt sich eindeutig mit JA beantworten.  Dahinter steckt das Prinzip von Roux:

Dieses Prinzip der funktionellen Anpassung hat Wilhelm Roux (*1850-†1924, deutscher Anatom und Embryologe) bereits 1895 vorgestellt. Hinter diesem Prinzip steckt, daß der menschliche Körper sich sehr flexibel äußeren Bedingungen anpaßt, wenn ihn äußere Reize in die richtige Richtung leiten. Dazu benötigen die Organe und Knochen allerdings eine gewisse Anpassungszeit. Die Kombination aus Reizen und Anpassungszeit bietet der Kämpfer bzw. Sportler seinem Körper durch das regelmäßige Training. Umgekehrt führt das Ausbleiben von Reizen zum Abbau von Körperstrukturen, so daß dieses Prinzip auch erklärt, daß der Körper ständig Leichtbau betreibt, z.B. indem Muskeln während einer Trainingspause erschlaffen und sich auf das benötigte Maß verkleinern.

Zum Beweis der Knochenanpassung folgen einige Zitate aus der Fachliteratur:

‘Prävention und Rehabilitation im Sport’ von Jürgen Freiwald (S. 20 ff., rororo, ISBN 3-499-18626-8):

" ... Das Dickenwachstum des Knochens bzw. auch der Verlust an Knochendicke kann zeitlebens erfolgen, es finden Anpassungen an die Funktion statt, denn der Knochen ist eine ‘funktionelle Struktur, die ihn zu einem außerordentlich lebendigen und reaktionsfähigen, in ständigem Umbau befindlichen Gebilde werden läßt’ (Tittel 1985, 64f) Die Statik sowie die Mechanik gibt entsprechende funktionelle Reize zur Anpassung des Knochengewebes. Die Anpassung betrifft sowohl die Anordnung seiner Bestandteile (Bälkchenstruktur) als auch die Ausprägung des Knochenumfangs. Beispielsweise ist bei Ausdauersportlern nach jahrelangem Training eine deutlich nachweisbare Verdickung (Anpassung) der äußeren harten Schicht des Röhrenknochens (Substantia compacta) zu beobachten.
...
Besonders bedeutsam ist die im Gegensatz zum Muskelgewebe langsamere Anpassung des Knochengewebes an Belastung durch die geringere Stoffwechselquote und die damit verlängerte Wiederherstellungszeit nach Verletzungen bis zur vollen Belastbarkeit"

Prof. Dr. Wolfgang Baumann schreibt in ‘Biomechanik der Sportarten’ (rororo, ISBN 3-499-18601-2, S. 83ff):

"3.2 Biologische Grundlagen
... Der Aufbau des Bewegungsapparates ist demnach entscheidend von seiner Funktion geprägt. Dies stellt z.B. die Voraussetzung für die eindrucksvolle Ausbildung der Knochenstrukturen nach den Hauptbelastungen dar, ..."

Karl-Peter Knebel schreibt in ‘Funktionsgymnastik’ (rororo, ISBN 3-499-17628-9, S. 15 ff):

"Die Knochen
...
Um die Anpassungsfähigkeit und Trainierbarkeit der Knochen kümmert sich der Trainingsprozeß in der Regel herzlich wenig, wohl deshalb, weil sich ihre Adaptionsfähigkeit unserer Beobachtungskunst entzieht. ...
Knochen haben nicht nur eine Form, sondern sind auch ‘formbar’. Selten weisen Anweisungsbücher zu den einzelnen Sportarten auf diese biologische Bedingung hin. Knochensubstanz wird fortgesetzt auf-, um- und abgebaut. Sie ist ähnlich anpassungsfähig wie die Muskulatur, der man im Sport gewohnheitsmäßig mehr Aufmerksamkeit schenkt. ..."


Was ist der Unterschied zwischen ‘Taktik’ und ‘Strategie’?

Taktik und Strategie

Nach Carl von Clausewitz ist die Strategie die ‘Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zwecke des Krieges’. Damit unterscheidet sie sich von der Taktik, welche v. Clausewitz als ‘die Lehre vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht’ bezeichnet.

Verwendet man die Definition nach v. Clausewitz, so ist die Taktik ist die lokale Planung, während die Strategie eine globale Planung darstellt. Auf den Wettkampf angewendet, würde Taktik die Planung der momentanen Technik bedeuten (z.B. oben fintieren - unten treten) während Strategie die Planung des Kampfverlaufes bedeutet (z.B. bis zur 7. Runde den Gegner ermüden und dann seine Schwäche im Infight ausnutzen).

Carl von Clausewitz (*1.6.1780 ­†16.11.1831) wurde durch sein Werk ‘Vom Kriege’ bekannt, aus dem auch das Zitat ‘…daß der Krieg nichts ist als die fortgesetzte Staatspolitik mit anderen Mitteln. …’ stammt. Das Werk wurde erst nach seinem Tode veröffentlicht weil - so seine Frau Marie - er es zwar zu Lebzeiten fertigstellen aber eben nicht veröffentlichen wollte.


Antizipation: Kann man die Handlungen des Gegners vorhersehen?

Immer wieder werden von manchen ‘Meistern’ mystisch anmutende Erklärungen verbreitet, teilweise um Anfänger und Außenstehende zu beeindrucken, teilweise werden einfach Überlieferungen weitergegeben. Ein typisches Beispiel ist der Satz:

Nach vielen Jahren Training ist es, als ob man die Gedanken des Gegners lesen könnte, man weiß schon vorher, welchen Schritt er als nächstes unternehmen wird.

Das ist aber kein Mysterium, sondern etwas, was man auch in jeder normalen Sportart, wie z.B. Tennis findet: Die Antizipation, die sich bei jeder Art von intensivem Training einstellt, weil man eine Bewegung des Gegners schon im Ansatz erkennt, weil man weiß, daß der Gegner in bestimmten Situationen nur wenige effektive Möglichkeiten hat, und man durch die eigene Erfahrung frühzeitig Gegenmaßnahmen einleitet.

Der Begriff der Antizipation (lat. Vorwegnahme) taucht schon bei Kant auf - aber der meint vermutlich etwas anderes damit. Im Sport bedeutet er allgemein, daß durch die Erfahrung die Kämpfer mit der Zeit beginnen, die Bewegungen des Gegners zu erkennen und darauf bereits reagieren, bevor die Technik ausgeführt wird. Dadurch wird es immer schwieriger, einen erfahrenen Gegner zu besiegen. In vielen sportlichen Disziplinen (z.B. Leicht­ und Schwerathletik, Schwimmen) spielt die Antizipation kaum eine Rolle, häufig enden in diesen Sportarten die Karrieren der Leistungssportler früh, da die altersbedingte Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit nicht durch wachsende Erfahrung ausgeglichen werden kann. Im Sportkampf wird die Antizipation eines Kämpfers gerne vom Gegner durch Finten gezielt fehlgeleitet (aktive Täuschung).


 
Hat man beim Ausatmen wirklich die größte Kraft?

Obwohl es immer wieder behauptet wird - Die Antwort ist eindeutig NEIN!
Oder warum neigen wir zur Preßatmung, wenn wir etwas mit besonders viel Kraft bewegen wollen, z.B. beim Heben von Zementsäcken?

Häufig hört man den Satz “Mit der Ausatmung kommt die Kraft”, d.h. man soll bei Belastung ausatmen, was manche Stile durch einen Kampfschrei beim Fauststoß betonen. Untersuchungen zur Kraftentwicklung (vgl. Saziorski ‘Biomechanische Grundlagen der Ausdauer’, Sportverlag Berlin, ISBN 3-328-00148-4) beim Atmen ergaben speziell beim Rumpfbeugen jedoch die folgende Rangfolge der Kraftentwicklung:

  1. Bei angehaltenem Atem entwickelt man die größte Kraft. Das wird durch das natürliche Verhalten bei untrainierten Personen bestätigt, bei denen die Freisetzung großer Kräfte (z.B. schwere Kisten heben) von der Preßatmung begleitet wird.
  2. Etwas geringere Kräfte ergeben sich bei der Ausatmung. Bei langsamen oder isolierten Techniken (z.B. Fauststoß beim Bruchtest) wird die Ausatmung gezielt zur Kraftsteigerung eingesetzt. Bei sehr schnellen Technikfolgen (z.B. Kettenfauststöße) kann die Atmung dem Krafteinsatz allerdings nicht mehr folgen.
  3. Die geringsten Kräfte ergeben sich beim Einatmen.

Gegenüber (3) liegen die maximalen Kräfte beim Ausatmen 7 %, bei angehaltenem Atem 12 % höher. Als Erklärung werden zwei Ursachen genannt:

Im Bereich des Krafttrainings wird von der Preßatmung ausdrücklich abgeraten , da sich eine Reihe von gefährlichen Nebenwirkungen einstellen können, z.B.:

Fazit: